Flottmann-Hallen Herne

FLOTTMANN: Eine Chronik

Eine kleine Epoche lang war Herne vor allem unter einem Begriff bekannt: als "Stadt der Bohrhämmer". Ihren Zweitnamen verdankte die Stadt vor dem Zweiten Weltkrieg der revolutionären Erfindung der „Maschinen-Fabrik H. Flottmann“, die den Bergbau nicht nur im Ruhrgebiet prägte.

1902 bricht ein Feuer in der zunächst noch in Bochum angesiedelten Gießerei der „Heinrich Flottmann und Comp.“ aus. Wenige Jahre zuvor hatte die Firma ihr Sortiment um Bergbaubedarf erweitert und war seither gewachsen. Ein leerstehendes Werksgelände, eine aufgeschlossene Stadtverwaltung und ein günstiger Schienenanschluss sprechen dafür, den Produktionsstandort kurzum nach Herne zu verlegen. Exakt drei Wochen nach dem Brand beantragen die Eigentümer eine Konzession für die „Maschinen-Fabrik H. Flottmann & Co., Bochum“. Wenige Tage später bringen Pferdefuhrwerke verbliebene Maschinen aus Bochum und die Produktion beginnt.

Der „Druckluft-Bohrhammer mit Kugelsteuerung und selbsttätiger Umsetzung“ wird 1904 von Heinrich Flottmann patentiert. Eine Revolution für den Bergbau: der neue Bohrhammer kann fortan von nur einer Person bedient werden und überträgt die Wirkungsweise von Schlägel und Eisen in ein ungleich schnelleres, mechanisches Verfahren. Die Firma floriert und noch vor Ablauf des Jahrzehnts arbeiten 500 Menschen am Herner Standort. Repräsentative neue Werkshallen entstehen im damals modernen Jugendstil und mit Einflüssen der neuen Sachlichkeit. Verglichen mit Arbeits- und Produktionsverhältnissen damaliger Zeit gelten sie als besonders fortschrittlich.

Noch vor dem Ersten Weltkrieg ist Flottmann ein europaweit agierendes Unternehmen und selbst in Südafrika gibt es seit 1913 eine Zweigstelle. Mit beginnendem Krieg im Folgejahr wird nur ein kleiner Teil des Werkes auf Rüstungszwecke umgestellt, denn der Bergbau expandiert ungehindert weiter. Die Belegschaft wächst auf über 1.000 und erstmals werden auch in größerem Umfang Frauen für Hilfsarbeiten eingestellt, die nach Kriegsende jedoch wieder in die Hausarbeit entlassen werden.

In den 1920ern wird das Unternehmen zur Aktiengesellschaft. Heinrich Flottmann kauft Konkurrenzfirmen auf und erschließt neue Marktsegmente. Auch im Baugewerbe, Straßen- und Eisenbahnbau werden Flottmann-Maschinen nun verwendet. Sie kompensieren Verluste, durch den Krieg wegfallender ausländischer Absatzgebiete und Ausfuhrverbote im Rahmen der französischen Besatzung. Vor der Weltwirtschaftskrise arbeiten 1520 Personen im Herner Werk.

Schon 1931 treten Heinrich Otto und sein Sohn Friedrich Heinrich in die NSDAP ein und bekennen sich zur Ideologie Hitlers. Später wird Heinrich Otto Flottmann von seinem frühen Bekenntnis, dem sich auch die Belegschaft unterzuordnen hatte, profitieren. Unter anderem wird er zum Präsidenten der Industrie- und Handelskammer in Bochum ernannt. Der Flottmann AG werden darüber hinaus große staatliche Bauvorhaben zugeteilt, die für exzellente Bilanzen sorgen.

Mit Kriegsbeginn werden die Arbeiter, die an die Front berufen werden teils durch Zwangsarbeiter ersetzt. Auf dem Werksgelände entsteht ein Barackenlager für 300 Menschen, die dort unter erbärmlichen Bedingungen hausen müssen. 1944 stirbt Firmenpatriarch Heinrich Otto Flottmann. Nach Ende des Krieges schweigt sich die Werksführung über ihre Parteinähe und die Beschäftigung von Zwangsarbeitern aus. Die Firmenakten werden dahingehend gelöscht.

Nach Kriegsende erteilen die britischen Besatzer zunächst keine Genehmigung, weiter zu produzieren. Das Werk soll gar demontiert und nach England verbracht werden. Durch Eingreifen von Anna-Luise, der Witwe des verstorbenen Firmenchefs, wird schließlich die Erlaubnis erteilt, die Produktion wiederaufzunehmen. Wirtschaftlich geht es rasch bergauf, denn die Kohle- und Stahlindustrie ist Schlüsselfaktor für den Wiederaufbau der kriegszerstörten Städte. Aus der Internierung kommend, übernimmt Friedrich Heinrich, Enkel des Firmengründers, die alleinige Geschäftsführung.

Im Jahr 1969 steht das hundertjährige Firmenjubiläum im Schatten der beginnenden Bergbaukrise. Friedrich Heinrich war es nicht gelungen, Zukunftsvisionen für sein Unternehmen zu entwickeln und neue Absatzmärkte zu erschließen. Auch in den Folgejahren bleibt die Frage nach einer Neuerfindung Flottmanns unbeantwortet.

Gegen Mitte der 1970er Jahre steht Flottmann vor dem Ruin. Lediglich 140 Beschäftigte betreiben das Werk und selbst deren Löhne können kaum noch pünktlich ausgezahlt werden. 1977 zieht sich Firmenchef Friedrich Heinrich verbittert in die Rente zurück. In den Folgejahren versuchen wechselnde, teils dubiose Geschäftsführer, aus der Firma Profit zu schlagen. Als auch die Beteiligung eines Investors keinen Aufschwung bringt, wird die Produktion am angestammten Areal 1983 eingestellt.

Schon 1980 hatte die Stadt Herne das Werksgelände erworben. Mit Stilllegung der letzten Produktionsstraßen entstehen Bebauungspläne für das Gelände, die zunächst den vollständigen Abriss aller Gebäude vorsehen. Nach aufgeregten kommunalpolitischen Debatten spricht sich die Denkmalbehörde für den Erhalt der „denkmalwürdigen Industrieanlage“ aus. Schließlich wird nach Intervention der Landesregierung der Denkmalschutz erteilt und zumindest die fünfschiffige Halle und einige Nebengebäude erhalten. 1986 werden die Flottis als „wohnungsnahe Freizeit- und Erholungsanlage mit integrierter Begegnungsstätte“ wiedereröffnet. Der Kulturbetrieb beginnt.
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Stadthistoriker Ralf Piorr hat die Geschichte Flottmanns aufgearbeitet und in Kooperation mit dem Emschertal-Museum der Stadt Herne eine Dauerausstellung konzipiert, die im Foyer der Hallen besichtigt werden kann. Außerdem erschien der Katalog: Ralf Piorr (Hrsg.): Flottmann. Eine Geschichte des Reviers. Klartext-Verlag, Essen: 2015. Diesen erhalten Sie während laufender Ausstellungen in unserer Kunsthalle für 10,- €.

Flottmann-Hallen Herne

Straße des Bohrhammers 5

44625 Herne

02323 162953